Amalthea
Amalthea
Da bei diesem Film wie sonst eher selten meine Meinung von der meiner Mitkinogänger stark abweicht, möchte ich einmal mehr betonen, dass ich hier meine persönlichen Ansichten darlege. Möglicherweise lag es ja an mir, dass die Spannung, die einen auf die vordere Sitzkante treibt, diesmal ausblieb.
Die ganze Vorstellung habe ich vergeblich darauf gewartet, dass der Film beginnt, eine Atmosphäre zu entwickeln. Die Stimmung pendelt unentschlossen zwischen mystisch-verklärenden Elementen, wie Mordvisionen und Geheimbünden und sachlich-handfestem Krimi hin und her. Es gelingt den regieführenden Hughes-Brüdern nicht, beides schlüssig zu verbinden und so vegetiert der Film zwischen zwei Welten dahin. Erfreuen kann man sich am Production Design von Martin Childs. Sein viktorianisches London wirkt greifbar und authentisch. Leider hätte sich Director of Photography Peter Deming mehr Zeit für die Ausleuchtung nehmen sollen. Die meisten Bilder von nächtlichen Londoner Straßen wirken nicht düster, sondern einfach nur dunkel und kontrastarm. Lediglich das obligatorische Kicker-Light, welches das feuchte Straßenpflaster zum Schimmern bringt, gibt den Aufnahmen etwas Interessantes. Auch das Editing hätte sich besser am Spannungsaufbau beteiligen können. Der Suspense-Moment, in dem der Zuschauer das bevorstehende Ereignis schon ahnt, aber dennoch gespannt auf das tatsächliche Eintreten wartet, kommt zu kurz. Die Morde werden zum blutigen Abschlachten und können die ansonsten blutleere Atmosphäre nicht verbessern. Davon abgesehen führen die Editoren George Bowers und Dan Lebental flüssig durch die Geschichte.
Womit wir bei der Story angelangt wären. Der Film dreht sich um „Jack the Ripper“, den berühmt-berüchtigten Hurenmörder, der im London des ausgehenden 19. Jahrhunderts umging. Doch als Sektion der Psyche eines Serienkillers taugt der Film nicht, obwohl das Eingangszitat und das Schlussplädoyer des Täters in diese Richtung zielen. Dafür steht der erst sehr spät entlarvte Charakter zu sehr im Hintergrund. Als Ausgleich versucht man, die Story mit einigen Gimmicks, wie einer Palastintrige und dem üblichen Romänzchen aufzuwerten. Leider ohne Erfolg, die Elemente wirken zusammengewürfelt. Auch die Freimaurer müssen als Geheimbund für alle Fälle wieder einmal herhalten. Ob ich diese Handlungsschwächen nun der Bildromanvorlage von Alan Moore und Eddie Campbell oder dem Drehbuch von Terry Hayes und Rafael Yglesias zuschieben soll, weiß ich nicht. Zumindest von Letztgenanntem ist man seit „Der Tod und das Mädchen“ eigentlich Besseres gewöhnt. Die Schauspieler versuchen zu retten, was noch zu retten ist: Robbie Coltrane hat mich überzeugt. Heather Graham kämpft verbissen gegen die Hollywood-Katalogrolle „Hure mit goldenem Herz“ an und den antiheldischen Inspector Abberline kann Johnny Depp auch nicht auf das Niveau eines Ichabod Crane aus „Sleepy Hollow“ hieven. Albert und Allen Hughes sind eben beide nicht Tim Burton oder David Fincher. Im Vergleich mit dessen modernem Klassiker „Sieben“, der ähnlich gelagert ist, zieht „From Hell“ eindeutig den Kürzeren.
Gegen Ende spitzt sich die Geschichte noch etwas zu um sich kurz danach in Wohlgefallen aufzulösen. Auf magische Weise scheinen sich alle Probleme von selbst zu lösen und es beschleicht einen der böse Verdacht, dass die Geschehnisse nicht wesentlich anders verlaufen wären, wenn der Inspector gleich zu Beginn in seiner Opiumhöhle geblieben wäre. Genauso wie der Zuschauer nichts verpasst, wenn er diesem Film nicht beiwohnt: Der Funke springt einfach nicht über. Man fühlt sich nicht wie im viktorianischen London, sondern eher wie unter kostümierten Neuzeitmenschen in Kulissen vom viktorianischen London.
Filmkritik: From Hell
Sonntag, 10. März 2002