Amalthea
Amalthea
Es ist wohl das erste Mal, dass ein berühmter Charakter den Sprung vom Computerbildschirm auf die Leinwand macht und nicht umgekehrt. Da man von der virtuellen Lara Croft ja einiges an Action gewöhnt ist, geht auch die reale Variante gleich zu Beginn in die Vollen. Um die Kampfszenen hat man sich auch redlich bemüht. Die zwar in den Credits nicht erwähnte Mitarbeit von „Mission Impossible II“-Editor Stuart Baird ist dabei deutlich zu sehen: Die Schnittfolgen sind ähnlich ausgefeilt und unterstützen die Dynamik der Szenen. Allein die zweifellos vorhandenen handwerklichen Fähigkeiten von Regisseur Simon West können das choreographische Talent eines John Woo nicht aufwiegen. Auch die übermütige Kamera sorgt dafür, dass man manchmal die Übersicht verliert. Hier fehlt Director of Photography Peter Manzies Jr. wohl noch die Erfahrung.
Doch glücklicherweise besteht dieser Film nicht nur aus Effektszenen: Dramaturgisch ausgewogen wechselt die Story zwischen Action und Handlung. Letztere ist zwar Computerspiel-typisch simpel gestrickt und steht hin und wieder etwas wackelig, aber sie ist zumindest vorhanden. Auf Expositionen wird größtenteils verzichtet, dennoch geht dem Drehbuch bis zum Ende nicht die Luft aus. Die Idee, mit den Illuminaten den mysteriösesten aller Geheimbünde, wenn auch nur oberflächlich, als gegnerische Organisation zu integrieren, fand ich angenehm einfallsreich.
Der eigentliche Star ist allerdings Lara Croft alias Angelina Jolie. Sie versteht es, der Figur ihre typische Härte und Coolness, aber auch ein wenig Verletzlichkeit zu verleihen und dabei mit beeindruckender Hilfe aus der Kostümabteilung immer gut auszusehen. Leider haben sich einige Mitglieder des Teams davon wohl ablenken lassen. Allen voran der Kameramann, der darüber vergessen hat, dass er auch für die Beleuchtung zuständig ist. Diese schwankt unentschlossen zwischen atmosphärisch-düster und gleißend-hell, oftmals sogar im selben Set. Auch Möglichkeiten wie die grünen Handlampen im Tempel oder die Abendsonne in Laras Haus werden nicht genutzt, um etwas Stimmung und Individualität in die Sets zu bekommen. So sehen dann auch die Tempel in Kambodscha und im hohen Norden genauso aus, wie Laras Übungsraum zu Beginn des Films. Daran ist auch das Set Design nicht ganz unschuldig, das mit Genreklassikern wie Indiana Jones nicht mithalten kann. Der Soundmix wummert meistens auch nur vor sich hin; ein echter Score hätte diesem Film sicher gut getan.
Letztenendes ist die Aufgabe, aus einem Computerspiel einen Film zu machen mit Abstrichen gelungen. Das im Film fehlende Element der Interaktion können die die Actionszenen relativ gut kompensieren. Die Story ist annehmbar; der Rest hängt jedoch ausschließlich an der Hauptheldin. Und da sich weder Regisseur, noch Kameramann oder Musik aufraffen, muss man Angelina Jolie danken, dass sie den Film noch gerettet hat.
Originaltitel
Lara Croft: Tomb Raider
Erscheinungsjahr
2001
Regie
Simon West
#film
Filmkritik: Tomb Raider
Sonntag, 1. Juli 2001