Amalthea
Amalthea
Tom Cruise ist jemand, der es in Hollywood geschafft hat. Das zeigt sich spätestens daran, dass er sich Filme mit maßgeschneiderten Rollen einfach selbst produzieren kann. Und bei ihm funktioniert diese Mischung aus Produzent und Schauspieler sogar. Die Rolle der Wahl ist Nathan Algren, ein amerikanischer Soldat im 19. Jahrhundert, der nach zu vielen Schlachten und Massakern an Indianern seine Armee verachtet und seine Selbstzweifel im Alkohol ertränkt. So wird er nach Japan beordert, um dort die neuen Truppen des Kaisers für den Kampf gegen abtrünnige Samurai auszubilden, aber die erste Schlacht wird eine Niederlage. Doch als Gefangener bei den Samurai lernt er deren Philosophie kennen und beginnt, seine eigenen Ziele klarer zu sehen.
Der Stoff über einen Abtrünnigen, der ein neues Leben beginnt und am Ende ein ganzes Land rettet, stammt aus der begabten Feder von „Gladiator“-Autor John Logan, der nach dem Genrefehlgriff mit Star Trek X hier zu alter Qualität zurückfindet. Die Dialoge treffen das gesunde Mittelmaß zwischen nüchtern-belanglos und mythisch-verklärt. Auch vor untertitelten japanischen Dialogen schreckt der Film nicht zurück, was den zahlreichen japanischen Darstellern zwar sicher entgegenkommt, aber gleichzeitig die Sprache als schauspielerisches Ausdrucksmittel ausschaltet. Doch dank der exzellenten Darstellerriege fügt sich alles nahtlos zusammen.
Regisseur Edward Zwick, der durch seine vergleichsweise geringe Leinwandpräsenz noch nicht zu den Fließbandregisseuren Hollywoods gehört, inszeniert die Geschichte als bildgewaltiges Schlachtenepos, das aber auch in ruhigen Szenen überzeugt. Dabei konzentrieren sich die Editoren Victor Du Bois und Steven Rosenblum nach einer der Länge des Films angemessenen Einleitung hauptsächlich auf die Beziehung Algrens zu dessen Samurai-Gegenüber Katsumoto. Andere Charaktere bleiben im Hintergrund. Der durch „Braveheart“ schlachtenerfahrene Director of Photography John Toll zeichnet das Samuraidorf als lichtdurchfluteten Ort, an eine stärkere Kontrastierung des von westlichen Ränkespielen vergifteten kaiserlichen Hofes traut er sich jedoch nicht. Wer sich bei den japanischen Fluren an das mittelirdische Auenland erinnert fühlt, liegt gar nicht so daneben, auch „Last Samurai“ wurde teilweise in Neuseeland gedreht. Der Score bringt mich wieder zur Fließbandarbeit zurück: Die Musik ist zwar stilistisch passend und kraftvoll, aber nicht innovativ. Wird Hans Zimmer in Hollywood verheizt?
Doch all diese Zutaten schaffen nur die Bühne für den Mann, der mit Bravour die Hauptrolle bestreitet. Man ist es ja mittlerweile von Tom Cruise gewöhnt, dass er nicht nur als Schauspieler in der Lage ist, auch alleine eine Einstellung zu tragen, sondern auch seine Stunts selbst auszuführen, wozu er hier ausgiebig Gelegenheit hat. Mit Ken Watanabe hat er einen ebenbürtigen Partner, der schon durch seine bloße Präsenz im Bild ein enormes Charisma ausstrahlt. Abschließend bleibt der Eindruck, dass einige der fernöstlichen Ideen in der heutigen Zeit wieder angemahnt werden müssen, was der Film ohne erhobenen Zeigefinger auch auf subtile Art leistet. Zumindest in Hollywood ist Japan also angekommen, und wenn sein Film auch das völlige Gegenteil von „Last Samurai“ ist, so gibt es neben Tom Cruise mit Quentin Tarantino ja noch einen bekennenden Nippon-Fan.
Filmkritik: Last Samurai
Montag, 26. Januar 2004