Amalthea
Amalthea
Citizen Kane ist der erste Film, den ich im historischen Museumskino der Dresdner Technischen Sammlungen gesehen habe. Abgesehen von den unbequemen Stühlen eine willkommene Abwechslung im Kino-Einerlei, werden doch dort Filme auf einem historischen Ernemann-Projektor gezeigt. Ein würdiger Rahmen für einen so bedeutenden Film wie Citizen Kane.
Seit seinem legendären „Krieg der Welten“ Hörspiel, bei dem tausende Amerikaner in Panik verfielen, weil sie die Radiomeldung über eine außerirdische Invasion für authentisch hielten, galt Orson Welles als Wunderkind. So konnte er bereits bei seinem ersten Hollywood-Engagement das so gut wie nie gewährte Recht des „final cut“ genießen. Das Resultat dieser enormen künstlerischen Freiheit des damals erst 26jährigen gilt heute als Meilenstein der Kinogeschichte: Citizen Kane. Die Geschichte handelt von Aufstieg und Fall eines Zeitungsmagnaten, der mit einem Käseblatt beginnt und ein Imperium aufbaut, dem jedoch sein privates Glück mehr und mehr entgleitet und der am Ende einsam in einem Märchenschloss lebt. Dazwischen bietet die Story alles zwischen Liebe und Skandal, zwischen Exotik und Geheimnis.
Doch erst die geniale Umsetzung veredelt den Stoff zum Meisterwerk. Orson Welles Ursprünge liegen im Theater und Radio. Mit Filmen hatte er bis dahin keine Erfahrungen und so bricht er, ohne es darauf anzulegen, mit zahlreichen alteingesessenen Regeln. Zuerst einmal wird der Film nicht chronologisch erzählt, sondern er beginnt mit dem Tod der Hauptfigur, deren Leben dann in diversen Rückblicken aus der Sicht von verschiedenen Personen rekonstruiert wird. Auch gibt es keinen klassischen Gut-Böse-Konflikt. Beides findet sich in einer Person, die Grenzen zwischen Sympathie und Antipathie verschwimmen. Da Orson Welles gern wie im Theater die Schauspieler große Teile am Stück spielen lässt, benutzt er oft das Mittel der Plansequenz, bei der die damals zentnerschweren Kameras auf minutiös choreographierten Wegen durch die Sets wandern und die Schauspieler begleiten, ohne dass dauernd geschnitten werden muss. Eine Technik, die Alfred Hitchcock später zur Perfektion bringen wird. Ebenfalls auf seine Theaterwurzeln zurückzuführen ist Welles’ Annahme, als Regisseur beim Film auch für die Beleuchtung verantwortlich zu sein, obwohl diese Aufgabe eigentlich dem Director of Photography zufällt. So kommt Citizen Kane mit einer enorm ausdrucksstarken Beleuchtung und symbolträchtiger Bildkomposition, bei der wichtige Gegenstände deutlicher ausgeleuchtet werden, als der Rest der Szene. Die so erzeugten Lichtstimmungen waren für einen Schwarzweißfilm beeindruckend und sind heute noch wegweisend.
Doch bei allen Vorschusslorbeeren wurde Orson Welles’ unbekümmerte Art bei einigen Studiobossen als Respektlosigkeit angesehen und als sich der reale Zeitungsbaron William Randolph Hearst in der Titelfigur wiedererkannte und sich beleidigt fühlte, hatte der Film mit einigen Startschwierigkeiten zu kämpfen. Aber glücklicherweise ist er der Nachwelt erhalten geblieben und 1998 zu später Ehre gekommen, als ihn das American Film Institute zum besten Film aller Zeiten kürte.
Filmkritik: Citizen Kane
Freitag, 21. Februar 2003