Amalthea
Amalthea
Gene Roddenberry ist tot! Bei diesem Film habe ich das wieder zu deutlich spüren müssen. Nach Austin Powers und James Bond ist das nun die dritte Fortsetzung, die mehr von der Geldgier des Studios als von großen Ideen motiviert ist. Ich werde mich bemühen, diese Kritik nicht zu engstirnig werden zu lassen, aber als Trekkie finde ich diesen Film nicht nur enttäuschend, sondern geradezu beleidigend.
Doch der Reihe nach: Das Prädikat „enttäuschend“ passte ganz gut auf den Vorgänger „Star Trek: Der Aufstand“. Da dieser an der Kinokasse nicht so berauschend abschloss, dachte sich Produzent Rick Berman, diesmal alles anders machen zu müssen und entließ nicht nur Jonathan Frakes als Regisseur, sondern schickte auch gleich das bewährte Autorenteam um Michael Piller und Ronald D. Moore in die Wüste. Anders wurde es dadurch in der Tat, aber leider nicht besser: Regieneuling Stuart Baird schlägt sich noch relativ wacker, obwohl er die Charaktere bei weitem nicht so gut kennt, wie Frakes. Doch John Logan ist als Autor von „Gladiator“ die völlig falsche Wahl. Er mag noch so begabt sein, mit Star Trek kennt er sich einfach nicht aus. Die resultierende Story ist eine billige Kopie von „Star Trek II: Der Zorn des Khan“: der Erzfeind macht sich auf, von unstillbarem Rachedurst geleitet und mit einer Todesmaschine bewaffnet, zuerst seinen Widersacher und dann gleich ganze Planeten auszulöschen. Der Anfang des Films fühlt sich in der Tat noch sehr nach Star Trek an. Den Schauspielern sind die Figuren so in Fleisch und Blut übergegangen, dass sich die familiäre Atmosphäre zwischen den Mitgliedern der Brückencrew schon automatisch einstellt. Nur ein Charakter kommt nicht so zur Geltung, wie man es aus der Zeit von Kirk und Spock noch kennt und liebt: die Enterprise. Während die alten Filme mit ihren von traumhafter Musik untermalten welträumlichen Außenaufnahmen des Schiffs für Star Trek den Begriff „Space Opera“ prägten, dient das ehemals schöne Schiff hier nur als protziges Material für die Weltraumschlachten. Albernheiten wie die Fahrt mit dem Jeep tragen ein Übriges dazu bei, dass das vertraute Gefühl mit Fortschreiten des Films erlischt.
Doch auch die Gegnerseite ist nicht frei von Problemen: Der Charakter des Shinzon wirkt konstruiert. Seine Vorgeschichte ist schlecht ausgearbeitet und die ganze Figur wirkt unglaubwürdig. Doch das muss nicht am Schauspieler Tom Hardy liegen. Auch Captain Picard ist in diesem Film profillos und wirkt am Ende genauso mitgenommen, wie sein Schiff. Der Showdown selbst ist mal nicht aus „Star Trek II“ geklaut, sondern aus Nummer neun: wieder einmal verwandelt sich ein ohnehin schon furchterregendes Schiff in eine böse, böse Tötungsmaschine mit wissenschaftlich klingendem Namen und erwartet nun, am Losgehen gehindert zu werden. Die Son’a lassen Grüßen, sogar die Schiffe ähneln sich. Am Ende stehen sich Picard und der Oberbösewicht wieder mal Auge in Auge gegenüber und prügeln sich ein Bisschen. Konfliktlösung mit Fäusten wie sie eigentlich überhaupt nicht in die Visionen von Gene Roddenberry passt. Doch es kommt noch dicker: damit das Ende wieder mehr nach „Star Trek II“ aussieht, musste noch jemand dran glauben; und da es bei Brent Spiner immer schwerer wird, das Alter zu vertuschen, schien Data eine gute Wahl. Also wird Data geopfert und darf sich heldenhaft mit der Tötungsmaschine in die Luft sprengen. Sehr viel schien ihm an seinem Leben ja nicht zu liegen, da er sich gar nicht erst die Mühe macht, eine andere Möglichkeit zu finden. Und woher wusste er, dass das Zeug beim Explodieren nicht noch viel gefährlicher ist? Solche kleinen Ungereimtheiten könnte man verschmerzen – man denke nur an die mysteriöse Bekanntschaft von Chekov und Khan in „Star Trek II“ – aber hier kommen sie zuhauf: Wieso kann die Enterprise ein Schiff rammen, dessen Schilde intakt sind? Wieso lässt sich Riker vom remanischen Entertrupp fast erstechen, anstatt einen Tricorder zu benutzen? Wie kann die Selbstzerstörung der Enterprise außer Betrieb sein, wenn das Abschalten der Antimaterie-Eindämmung das Schiff doch verlässlich sprengen sollte? War die Physik auch außer Betrieb oder doch eher das Autorenhirn?
All diese Unzulänglichkeiten würden den Film lediglich zu einem weiteren enttäuschenden Star-Trek-Film machen, aber dieser Film stellt gleichzeitig auch den Gipfel der Aushöhlungserscheinungen in der ganzen Philosophie von Star Trek dar, die mit dem Tod von Gene Roddenberry und der Übernahme durch Rick Berman begannen. Star Trek war schon immer nicht nur Science Fiction, sondern stand für die Vision einer glaubhaften Zukunft, die es Wert ist, in ihr zu leben. Roddenberry hat politische und soziologische Probleme der Gegenwart diskutiert, indem er zeigte, wie solche Probleme von einer Gesellschaft gelöst werden, die Ethik und Moral über alles andere stellt. Rick Berman hat das wohl nie richtig begriffen. Die Integrität des Star-Trek-Universums hat sich bei ihm nach der Umsatzstatistik zu richten. Neue Rassen wie die Remaner und föderationsinterne Verschwörungen wie in Teil neun werden nach Bedarf generiert um kurz darauf auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Konflikte werden nicht möglichst friedlich, sondern möglichst effektreich gelöst. Das Beispiel in diesem Film ist Datas Tod: Obwohl sehr ähnlich zu Spocks Tod in „Star Trek II“ – beide opferten sich, um ihr Schiff zu retten – gibt es doch den entscheidenden Unterschied: Spock opfert sich, um das Schiff zu reparieren; Data opfert sich, um den Feind zu vernichten. Der eine stirbt erschaffend; der andere stirbt zerstörend. Während die eigentliche Botschaft des Films „versuche, mehr aus Dir zu machen“ eigentlich ganz gut zu Star Trek passt, so ist Datas Ende wieder ein Schritt in die falsche Richtung.
Insgesamt ist der Film ganz unterhaltende Science Fiction, wenn man kein Star-Trek-Fan ist. Aber Star Trek war eben immer auch ein ethisches Gütesiegel. Wenn das also ein Star-Trek-Film sein soll, muss man sagen: Star Trek ist tot!
Filmkritik: Star Trek – Nemesis
Donnerstag, 16. Januar 2003