Amalthea
Amalthea
Lange hat man als Fan dem Jubiläumsfilm entgegengefiebert: das zwanzigste Bond-Abenteuer sollte schon was Besonderes sein. Doch wie ich schon beim neunzehnten Mal dachte: So langsam sollte Produzentin Barbara Broccoli an ein Ende der Serie denken. Man soll schließlich aufhören, so lange man populär ist. Denn leider hat sie bei der Zusammenstellung des Drehteams kein so gutes Händchen wie ihr Vater.
Da wäre zunächst der Regisseur zu nennen: Lee Tamahori. Handwerklich durchaus nicht unbegabt liefert er die Bond-typischen Hochglanzbilder, aber die Atmosphäre bleibt aus. Um erfolgreich als Bond-Regisseur zu bestehen muss man wohl selbst ein Bisschen Bond sein. Dann kann man den mondänen Stil und die britische Eleganz richtig einfangen. Deshalb entstanden einige der besten Original-Connery-Bonds unter Regisseur Terrence Young, der sich schonmal mit dem ganzen Team in einem Luxushotel einquartierte oder dem ganzen Set Champagner spendierte.
Pierce Brosnan gibt sich sichtlich Mühe, aber der Funke springt nicht über. Natürlich fehlt dazu auch die Grundlage: ein gutes Script. Die Story stammt von Neal Purvis und Robert Wade und man bemerkt sehr deutlich, dass die beiden auch schon „The World Is Not Enough“ geschrieben haben. Wieder gibt es eine gute und eine böse Frau und mit beiden darf Bond einmal in die Kiste. Wird dem kinogeschichtlich ja nun doch etwas älteren Herren nicht mehr zugemutet? In früheren Filmen gab es jedenfalls mehr Frauen, mehr trockene Martinis und mehr ebenso trockene Sprüche. Eine schöne Idee hat das Drehbuch aber: Wenn er genau aufpasst, findet der Fan im ganzen Film Hinweise auf jeden früheren Bond, wobei der Auftritt von Halle Berry natürlich am deutlichsten an Ursula Andress' berühmte Bikini-Szene in „Dr. No“, dem allerersten Bond, erinnert. Doch was eigentlich eine sehr schöne Idee ist, macht den Wehmut nur noch schlimmer, da man so auch noch den ganzen Film hindurch erinnert wird, wie schön die Bond-Filme mal waren.
Doch der Fan hat noch weitere Kröten zu schlucken: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bond-Reihe wird in der Titelsequenz die Handlung weitergeführt. Und während bisher das Filmstück vor dem Titel eher weniger zur eigentlichen Filmhandlung beitrug, sondern mehr als Appetithappen gedacht war, passieren hier diesmal entscheidende Dinge. Das wäre ja an sich nicht so schlimm, aber was da passiert, ist für Bond-Verhältnisse ziemlich heftig: Unser Held wird gefangen genommen und über ein Jahr lang gefoltert. Dass einem James Bond sowas passiert und dass er danach physisch oder psychisch keine Schäden davonträgt, will erst einmal verdaut werden. Ein Trauma passt eben nicht zu Bond, das war den Storyschreibern dann wohl zu real gewesen. Auf der anderen Seite mühen sie sich ab, ihren Bösewichten eine realistisch verankerte Motivation zu geben, was eigentlich unnötig ist. Die besten Bond-Bösewichte hatten vollkommen irrsinnige, abgehobene Pläne jenseits jeglichem Realismus. Sie waren aber stets charismatisch, kühl, berechnend und Bond geistig ebenbürtig. So gesehen war Elliot Carver aus „Tomorrow Never Dies“ der letzte echte Bond-Bösewicht. Die zwei Hampelmänner danach waren einfach nur Psychopathen ohne Tiefgang.
Eine weitere verloren gegangene Bond-Spezialität sind die exotischen Schauplätze. Zugegeben, der Eispalast sieht schmuck aus und Production Designer Peter Lamont, übrigens der einzige Bond-Veteran im Team, hat hier genial gearbeitet. Doch bekommt man nur wenig davon zu sehen und der echte Showdown findet nicht dort, sondern ganz profan in einem Flugzeug statt. Auch sonst sind die schönen Drehorte vergeudet. Da ist Bond schonmal in Kuba, da bekommt man doch nur eine Klinik zu sehen. Sonst gab es da immer eine witzige Verfolgungsjagd, bei der man die tolle Umgebung vorgeführt bekam. Hier sind die Verfolgungsjagden wieder mal nur Action-Getöse ohne das gewisse Etwas. Der Director of Photography David Tattersall war hier sicher nicht die beste Wahl, da die Star Wars Episoden I und II, an denen er beteiligt war, genau dasselbe Missverhältnis zwischen Action und Atmosphäre aufweisen. Auch die „Mission Impossible II“-Editoren Andrew MacRitchie und Christian Wagner hatten sicher einen ungünstigen Einfluss.
Man könnte noch über den Titelsong von Madonna, der sicher nicht Jedermanns Geschmack ist, und über ihren überflüssigen Cameo sinnieren, aber es wird einem auch so klar: Die großen Tage von 007 scheinen vorbei. Ich befürchte, dass der Kommerz noch einige Fortsetzungen erzwingen wird, aber ob die Bond-Filme zu alter Größe zurückfinden werden, bezweifle ich. Das Team besteht sicherlich aus fähigen Leuten, aber die Story ist ideenlos und der Rest passt einfach nicht so zusammen, um einen echten „larger than life“ Bond-Film entstehen zu lassen. Ich denke, der gute Albert R. „Cubby“ Broccoli hat das Rezept dafür mit ins Grab genommen. Seine Tochter sollte die Sache ruhen lassen und Schluss machen.
Filmkritik: Stirb an einem anderen Tag
Montag, 2. Dezember 2002