Amalthea
Amalthea
Nach „American Beauty“ ist dies Sam Mendes’ zweites Werk als Filmregisseur. Bevor man diesen Film sieht, lautet also die brennende Frage: Kann er diesen fulminanten Erfolg wiederholen? Doch auf keinen Fall sollte man eine Erwartungshaltung mitbringen, denn den Zynismus und die bittere Komik aus „American Beauty“ hat Mendes hier gegen einen ernsten, dramaturgisch geradlinigen Stil eingetauscht.
Es geht um die Geschichte von Michael Sullivan, einem nach Außen hin treusorgenden und liebevollen Familienvater, der jedoch sein Brot als Scherge des örtlichen Mafiabosses verdient. Ein ungewöhnlicher Blick von unten auf die Gangsterhierarchie im Chicago der Prohibition. Die Haupthandlung setzt ein, als Michaels Sohn hinter den Gelderwerb seines Vaters kommt, dabei ungewollt Zeuge einer Schießerei wird und so die ganze Familie als potentielle Mitwisser der Ermordung preisgibt. Doch Michael und sein Sohn können fliehen und sinnen auf Rache. So zwiespältig wie der Hauptcharakter ist der ganze Film angelegt. Stellenweise von der Liebe zwischen Vater und Sohn bestimmt, regiert in der nächsten Szene schon wieder brutale Gewalt. Leider ist Sam Mendes dieser zweigeteilten Gefühlswelt nicht hundertprozentig Herr geworden: Ich befand mich als Zuschauer im ständigen Wechselbad und konnte in keine der beiden Welten völlig eintauchen. Möglicherweise liegt es auch an der früheren Tätigkeit von Sam Mendes als Theaterregisseur, dass er die Kamera mehr objektiv beobachtend führt. Bis auf diesen Makel ist der Film aber eine runde Sache. Das Drehbuch von David Self nach dem Bildroman von Max Allan Collins und Richard Piers Rayner geht sparsam mit Dialogen um und vermeidet geschickt das Abrutschen ins Pathetische. Das Production Design von Dennis Gassner kann wie schon in „O Brother, Where Art Thou“ eine vergangene Ära wieder lebendig machen. Zusammen mit der Beleuchtungskunst von Conrad L. Hall ersteht so das Chicago von Al Capone zu neuem Leben. Dunkle Gassen in grauen, verregneten Nächten bleiben einem im Gedächtnis. Die wenige Orte, die etwas mehr Farbigkeit verdienen, sind mit Bedacht ausgewählt: die Totenwache zu Beginn, wo Alles noch in Ordnung ist; später die Zufluchtsstätte in der Farm und noch einige weitere Wendepunkte. Von den Schauspielern bekommt man nur erstklassige Leistungen geboten, was aber nicht verwundert, wenn man die Besetzungsliste liest. Tom Hanks wird hier relativ untypisch besetzt, hat aber mit der Ambivalenz seiner Figur erwartungsgemäß keine Probleme. Bis in die Nebenrollen liest man bekannte Namen wie Paul Newman, Jude Law oder Stanley Tucci.
Alles in Allem ein durchaus sehenswerter Film; schauspielerisch und optisch sehr ausdrucksstark. Warum er mich nicht so ganz mitgerissen hat, kann ich mir auch nicht erklären.
Filmkritik: Road to Perdition
Montag, 7. Oktober 2002