Amalthea
Amalthea
„Crouching Tiger, hidden Dragon“, der Titel ist fürs deutsche Publikum wiedermal „vereinfacht“ worden, war der Überraschungserfolg bei der diesjährigen Oscarverleihung. Nie hätte sich Regisseur Ang Lee derart viele Trophäen für seinen Film erträumt. Aber man sieht dem Film das Können an: kraftvoll und dynamisch inszeniert und doch ausgeglichen und innerlich ruhig, dabei optisch und emotional einfach schön.
Die Handlung des Buches von Du Lu Wang strahlt eine tiefliegende Weisheit aus, viele Dialogzeilen sind metaphorisch und könnten auch direkt von Konfuzius stammen. Der Titel verweist mit den Symbolen vom lauernden Tiger und vom verborgenen Drachen auf ein zentrales Element des Films: der Ehrlichkeit mit den eigenen Gefühlen und Fähigkeiten und der Selbstverwirklichung, die sich am Ende bis zur Selbstaufopferung steigert: zum einen in Li Mu Bais Liebesgeständnis im Tod und auch im finalen Opfersprung in den Abgrund. Beide Male ist es die Überwindung der eigenen Angst und der Schritt ins Unbekannte, mit dem sich die Charaktere verabschieden.
Die Inszenierung selbst setzt dabei zwei verschiedene Gangarten kontrapunktisch gegeneinander: die ruhigen Dialogszenen und die schnellbewegten Kämpfe. Erstere werden von der reichhaltigen Ausstattung der Sets und dem authentischen Verhalten bestimmt, welches die Schauspieler antrainierten. Die Kamera von Peter Pau verhält sich eher konservativ und beschränkt sich auf das Einfangen der Stimmung. Ganz anders in den Kampfszenen: Hier bekommen wir dynamische Fahrten und den meisterhaften Schnitt von Tim Squyres zu sehen, der Totalen und Close-Ups ins richtige Verhältnis setzt, so dass man sich zwar mitten im Geschehen befindet, aber trotzdem nicht die Übersicht verliert. Auch die Choreographie der Kämpfe von Wo Ping Yuen ist einzigartig: ballettartig schweben die Schwertkämpfer über die Schauplätze und alles scheint von artistischer Leichtigkeit zu sein. Die nachträgliche Entfernung der sicherlich zahlreichen und kompliziert aufgebauten Halteseile ist perfekt gelungen. Die klangliche Untermalung schlägt traditionelle Töne an und lässt den Zuschauer vollends in die altchinesiche Mystik eintauchen.
Dieser Film hat es geschafft, das abgegriffene Genre der Martial-Arts-Filme in atemberaubender Qualität und emotionaler wie geistiger Tiefe neu aufleben zu lassen.
Filmkritik: Tiger & Dragon
Donnerstag, 23. August 2001