Amalthea
Amalthea
Was will uns der Künstler mit diesem Werk sagen? Das war der erste Gedanke, den ich am Ende dieses Films hatte. Spätestens seit „Starship Troopers“ beschleicht mich das Gefühl, dass aktuelle Filme von Paul Verhoeven immer schwerer zu begreifen sind. Nach eigener Aussage wollte Verhoeven den philosophischen Ansatz inszenieren, dass der Mensch, wenn er über uneingeschränkte Rechte verfügt, automatisch böse wird. Ich kann diese Darstellung nur mit Mühe im Film wiederfinden. Es scheint also, dass Verhoevens Filme häufig von der Mehrheit des Publikums nicht oder falsch verstanden werden. Ich muss mich wohl oder übel zu dieser Mehrheit dazurechnen, obwohl dies in Verhoevens frühen amerikanischen Filmen, wie „Total Recall“ oder „RoboCop“ nicht so war. Deren Message erschloss sich mir recht schnell.
Doch außer dem generellen Handlungsmotiv der Konfrontation und Provokation des Zuschauers mit der Diagnose eines ausgewählten Aspekts der menschlichen Natur ist diesem Film von Verhoevens Handschrift nicht viel geblieben. Die konzeptionelle Klarheit seiner früheren Werke habe ich vermisst. Was allerdings deutlich wird, ist Verhoevens gekonnter Umgang mit Special Effects, die er zur Schockierung des Zuschauers unverhüllt auf die Spitze treibt. Bahnbrechend ist hier die überaus realistische Darstellung der menschlichen Anatomie, aber auch bei der Interaktion eines Unsichtbaren mit seiner Umgebung haben die Effektteams ganze Arbeit geleistet.
Eine überzeugende Leistung hat auch Kameramann Jost Vacano abgegeben. Er hat es geschafft, etwas nicht vorhandenes durch geschickt gewählte Kamerapositionen für den Zuschauer ortbar zu machen. Auch die Handkamera, die er ja bereits in „Das Boot“ überzeugend führte, kommt hier zum Einsatz, meist als First-Person-Kamera. Kevin Bacons Torturen in der Maske bei der Umwandlung in ein wegretuschierbares, grünes Männchen sollen als Beitrag zur Realisation der Optik hier auch erwähnt werden.
Im Gegensatz zur visuellen hat mich die akustische Komponente eher enttäuscht. Ich hatte von Altmeister Jerry Goldsmith mehr erwartet. Entweder hatte er wenig Zeit, dass er so gnadenlos bei sich selbst kopieren musste, oder Verhoeven hatte die Ähnlichkeit gewünscht: Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, den Soundtrack von „Basic Instinct“ zu hören. Auch die Räumlichkeit wirkte zuweilen etwas befremdlich: Sie wechselte recht drastisch zwischen einer weiten, halligen und einer eher trockeneren, engen Akustik hin und her. Dies kann allerdings sowohl an einer schlecht abgemischten deutschen Synchro als auch an der Inkompetenz des Vorführers liegen, der gleich zu Beginn aus nicht ersichtlichen Gründen einen Drop-out hingelegt hat.
Doch der einzige wirklich schwerwiegende Missstand an diesem Film scheint sein Plot zu sein. Es ist nur nicht eindeutig auszumachen, ob man Story, Screenplay oder Director diesen schwarzen Peter zuschieben soll. Die Story jedenfalls strotzt vor logischen Fehlern, auch neben den durch die Unsichtbarkeit zwangsläufig auftretenden Ungereimtheiten. So wird Nitroglycerin nicht aus Schwefelsäure hergestellt und eine menschliche DNA ist nicht komplexer als die eines Menschenaffen. Doch es sind nicht nur solche Kleinigkeiten. Man erwartet von den Problemen die ganze Zeit über, dass sie größere Dimensionen annehmen werden. Die Möglichkeiten eines Cain in Freiheit werden jedoch nur angerissen. Auch in die Gegenrichtung, ein die menschliche Psyche auslotendes Kammerspiel, bewegt sich dieser Film nicht; dazu bleiben dank kurzer Exposition die Charaktere auch viel zu schemenhaft. Das Geschehen verfängt sich irgendwo zwischen diesen Varianten und rutscht letztlich in ein an „Alien“ erinnerndes Zehn-Kleine-Negerlein-Spiel ab, dass zwar seine Spannungsmomente hat, aber im Gegensatz zum Vorbild nicht überzeugt.
Filmkritik: Hollow Man – Unsichtbare Gefahr
Mittwoch, 18. Oktober 2000