Amalthea
Amalthea
Der mexikanisch-amerikanische Drogensumpf ist ein schwieriges Thema, weshalb dieser Film es auch mit enormem Aufwand angeht: 135 Sprechrollen und 110 Schauplätze in acht verschiedenen Städten zeigen, wie ambitioniert dieses Projekt ist.
Der Film erzählt drei Handlungsstränge parallel, die sich nur an wenigen Stellen gegenseitig berühren und die sonst nur das gemeinsame Thema verbindet: ein kleiner mexikanischer Polizist, der im Kampf gegen eines der Drogenkartelle ohne es zu merken immer tiefer in ein anderes rutscht; ein Kronzeuge, der einen der Hintermänner vor Gericht belasten soll; und ein US-Richter, der den nationalen Drogenausschuss leiten soll, aber eigentlich viel größere Probleme mit seiner Tochter hat. Eigentlich liefert die Story genug Stoff für drei Filme. Das Screenplay von Stephen Gaghan ist auch tatsächlich eine Adaption der 1989er TV-Fortsetzungsgeschichte „Traffik“ von Simon Moore. Doch die Idee, alles gleichzeitig zu erzählen, lässt den Film an Realismus gewinnen, da ja im wahren Leben die Kartelle auch überall gleichzeitig aktiv sind: an der Quelle, im Vertrieb und beim „Endkunden“.
Steven Soderbergh hat alle drei Erzähllinien gut im Griff und verleiht jeder ihren eigenen Charakter. Dabei kann er sich auf eine erstklassige Besetzung verlassen, deren Staraufgebot ebenfalls für drei Filme gereicht hätte. Die Unterscheidung zwischen den Handlungsebenen wird dem Zuschauer durch verschiedene Färbungen vereinfacht: ein staubiges Gelb für Mexiko, ein stählernes Blau für die USA und eine leicht überstrahlende Blässe für Bindeglied Kalifornien. Eine exzellente Arbeit von Color Timer Dana Ross. Miteinander verwoben werden die Handlungsteile von Editor Stephen Mirrione, der der Geschichte die nötige dramaturgische Dynamik verleiht, indem er die schwierige Aufgabe, drei Spannungsbögen zu einem gleichzeitigen Höhepunkt zu führen, meisterhaft bewältigt. Keinem der drei Handlungsstränge geht vorzeitig die Luft aus. Die Kamera führt Steven Soderbergh unter dem Pseudonym Peter Andrews selbst. Die Szenerien sind alle beobachtend und mit dokumentarischer Einfachheit fotografiert. Außer bei vereinzelt turbulenten Handkamera-Aufnahmen versucht er, das Verständnis des Films nicht noch durch komplizierte Einstellungen zu erschweren. Auch die Musik von Cliff Martinez ist zurückhaltend.
Der Film versucht, dem verworrenen Dickicht der Drogenkartelle mit entsprechender Komplexität beizukommen. Wie auch in der Realität bleiben die wahren Hintermänner und die großen Zusammenhänge völlig im Dunkeln. Man läuft quasi immer nur um den Sumpf herum, gewinnt hier und da kleine Einblicke, findet aber keinen Zugang zum Inneren. Dieser realitätsnahen und ehrlichen Haltung bleibt der Film bis zum Ende treu. Es gibt zum Schluss zwar kleine Fortschritte, aber genauso viele Rückschritte und in Wahrheit steht man doch wieder am Anfang. Es gibt letztenendes weder Sieger, noch Verlierer.
Filmkritik: Traffic – Die Macht des Kartells
Donnerstag, 26. Juli 2001