Amalthea
Amalthea
Mein erster im Jahre 2001 gesehener Film ist ein wirklich außergewöhnliches Projekt. Mut zur Ruhe beweist Regisseur Robert Zemeckis. Den für ihn in seinen letzten großen Filmen wie „Contact“ oder „Forrest Gump“ so typischen ausladenden, schwelgerischen Erzählstil findet man hier schnell wieder. Die Handlung ist kurz zusammengefasst: Chuck Noland, ein FedEx-Postbote, stürzt mit einem Flugzeug ab und strandet an einer einsamen Insel. Nach fünf Jahren Wildnis kehrt er schließlich in die Zivilisation zurück. Anders als in Defoes Roman wird das Robinson-Motiv hier allerdings nicht verwendet, um das Abenteuer und die Möglichkeiten des menschlichen Geistes hervorzuheben, sondern um die Leere und Einsamkeit und die Suche nach dem Sinn des Überlebens zu zeigen.
Die Exposition erweist sich als kleiner Geniestreich in William Broyles' Drehbuch, da sie den Helden, der als späterer Inselbewohner nur in Monaten und Jahren denkt, von Pünktlichkeit und Deadlines besessen zeigt. Mit dem Absturz und der Ankunft auf der Insel verfliegt diese Hektik jedoch. Die Kamera von Don Burgess beschränkt sich auf größtenteils statische, wohlkomponierte Bilder, die zwar auch die Schönheit des Drehortes zeigen, gleichzeitig aber die Einsamkeit betonen, da man fast keine Tiere zu sehen bekommt. Im Zusammenhang mit der Bildgestaltung möchte ich dennoch anmahnen, dass das Format des Films mit nur 1.85:1 dem Cineasten bei derart opulentem Bildmaterial zu schmal ist.
Der Soundtrack von Alan Silvestri endet mit der Ankunft auf der Insel und setzt erst beim Verlassen derselben wieder ein, was in diesem Moment regelrecht befreiend wirkt, da man die Stille als Zuschauer beklemmend empfindet. Die Geräuschkulisse mit dem meditativen Meeresrauschen ist in der DTS-Abmischung mit einer exzellenten räumlichen Tiefe und einer guten Ortbarkeit der direktionalen Effekte ausgestattet. Hier sei auch die Reprise des Wellenrauschens im Abspann erwähnt. Zusammen mit den dezenten Akkorden Silvestris schafft dies einen letzten Moment des Nachdenkens, den Frühgeher zwangsläufig verpassen.
Ein großes Manko hat dieser Film aber leider: Was tut man, um die Abmagerung der Hauptfigur glaubhaft darzustellen? Man lässt den Hauptdarsteller abspecken. Tom Hanks hat in diesem Film enormes Engagement gezeigt und die Entbehrungen seines Charakters selbst durchlebt. Während der so entstandenen Pause wurde übrigens der Film „Schatten der Wahrheit“ vom gleichen Team gedreht. Doch nun zum Manko: Um die Veränderung von Tom Hanks zu zeigen, wählte Zemeckis den einfachen und meiner Meinung nach falschen Weg, indem er einfach volle vier Jahre Handlung überspringt. Ich finde, dass ein Film, der sich sonst so viel Zeit nimmt, alle Entwicklungen kontinuierlich wiedergeben sollte. Der Kerngedanke, wie ein Mensch verzweifelt und was ihn dann doch zum Weiterleben überzeugt, wird so weggelassen und muss am Ende rückblickend und weniger wirkungsvoll angestückt werden.
So will sich denn das Ende nicht stimmig anfügen. Auch hier muss wieder Zeit übersprungen werden. Die Schlusspointe kommt häppchenweise: mehrmals hat man das Gefühl, die letzte Kameraeinstellung zu sehen. Hier hätte Editor Arthur Schmidt für etwas mehr Kontinuität sorgen sollen. Das wirkliche Ende kann dann aber doch mit dem schönen Symbol der Straßenkreuzung in der Mitte von Nirgendwo überzeugen. Doch nicht nur Chuck Noland verbleibt orientierungslos, auch ich behalte ein zwiespältiges Gefühl bei diesem Film.
Filmkritik: Verschollen
Mittwoch, 24. Januar 2001